Ein Brief von unserem Gründer Julian über die Bedeutung von Thomlang:

Als ich mich direkt nach meiner Matura dazu entschieden habe nach Kambodscha zu reisen, um mich freiwillig bei einer österreichischen Organisation zu engagieren, habe ich mit Sicherheit erwartet, dass es eine Erfahrung werden würde, die meinen Horizont erweitert. Was ich allerdings auf keinen Fall erwartet habe, ist, dass es mein Leben in solch einem Ausmaß verändern würde, wie es das schlussendlich getan hat. Ich hatte ursprünglich geplant, ein einziges Mal nach Kambodscha zu gehen. Nur für ein paar Monate als Teil meines Auslandsjahres, bevor ich nach Österreich zurückkehren würde, mich wieder auf mein eigenes Leben konzentrieren würde und mein Medizinstudium beginnen würde. Das war der Plan. Ursprünglich.

Stattdessen ist dieses „einmalige Volontariat“ zu einer lebenslangen Aufgabe geworden. Ich bin mir durchaus bewusst, dass diese Geschichte extrem kitschig und überheblich klingen mag, aber diese Menschen in Kambodscha, die ich als Kinder und Jugendliche kennengelernt habe, sind mit zu den wichtigsten Menschen in meinem Leben geworden. Ich habe tatsächlich in den letzten sieben Jahren mehr Zeit mit ihnen verbracht als mit meiner Familie in Österreich. Unsere Beziehungen sind über die Zeit ganz von selbst zu denen einer Familie geworden, wie ein älterer Bruder der sich um seine jüngeren Geschwister kümmert.

 

Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, schon so lange eine Konstante im Leben dieser Kinder zu sein. Ich konnte sie beim Aufwachsen begleiten, war dabei wie sie alle möglichen Phasen durchgemacht haben, in die Pubertät kamen, ihre persönlichen Höhen und Tiefen durchliefen… bis zum jetzigen Zeitpunkt, an dem sie ihre Schulen und Ausbildungen abschließen und den Schritt aus dem Waisenhaus wagen, in dem sie aufgewachsen sind. Ich bin unglaublich stolz auf sie.

 

Alle diese Charaktere sind junge Menschen, die im Gegensatz zu mir nicht das Glück hatten, eine funktionierende, stabile Familie um sich herum zu haben, oder Eltern, die sich um sie kümmern.

Und obwohl es definitiv niemals meine Absicht war, bin ich tatsächlich über diese Jahre hinweg für viele von ihnen zu genau so einer familiären Bezugs- und Autoritätsfigur, einem wahrhaften älteren Bruder, geworden. Sie teilen wirklich alles mit mir. Ihr Träume, ihre Lieblingserinnerungen, ihre Kindheitstraumata, ihre Wünsche, ihre Hoffnungen, ihre Zweifel, ihre größten Ängste.

Mir ist vor einigen Jahren bereits bewusst geworden, dass diese Kinder für immer in meinem Leben bleiben werden. Und mit dieser Schlussfolgerung ist mir auch klar geworden, dass sie mich womöglich in ihrem Erwachsenenleben noch mehr als je zuvor brauchen würden – so wie wir alle unsere Eltern auch noch brauchen, obwohl wir eigentlich schon „erwachsen“ sind.

Sei es finanzielle Unterstützung, emotionaler Rückhalt oder Lebensberatung. Oder manchmal einfach nur das Gefühl bedingungslos geliebt und unterstützt zu werden. Genau aus diesem Grund habe ich mir seit einigen Jahren vorgenommen, eine eigene Organisation zu gründen.

Obwohl ich schon seit einer Weile mit diesem Gedanken gespielt habe, habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht, wie ich meine eigene Organisation nennen würde. Aber als schließlich der Moment kam, in dem ich die Registrationsformulare ausfüllen musste, kam es aus dem Nichts: Thomlang.

 

Thomlang ist Khmer und bedeutet „aufwachsen“. Es ist ein extrem simples und alltägliches Verb, und dennoch hat es so eine tiefe Bedeutung, die all das repräsentiert, was wir sind und was wir auch in Zukunft sein werden: eine Familie, die zusammen aufwächst.  

Ich hatte das unglaubliche Glück zu sehen, wie diese Kinder groß werden, verschiedene Stadien der Kindheit und Teenagerzeit durchlaufen und langsam aber sicher zu den wunderbaren jungen Erwachsenen werden, die sie jetzt sind. Aber nicht nur das – es war auch andersrum der Fall: Sie haben mich kennengelernt als ich frische 18 Jahre alt war, extrem jung und naiv mit dem Traum, eines Tages Arzt zu werden. Heute kennen sie mich als einen 25 Jahren jungen Mann, der nächstes Jahr sein Medizinstudium abschließen wird. Auch sie haben gesehen, wie ich mich verändert habe. Momente in denen ich erfolgreich war, und Momente in denen ich scheiterte. Aber das wichtigste, was sie gesehen haben, ist, dass ich immer meinem Ziel gefolgt bin, egal was passiert.

Und genau deshalb ist Thomlang so bedeutungsvoll und bringt alles auf den Punkt, was wir in dieser Organisation tun.

Wenn man in einer Familie aufwächst, unterstützt man sich auf alle erdenkliche Art und Weise. Selbstverständlich spielt finanzielle Unterstützung gerade hier eine sehr große Rolle, aber das tut auch die emotionale Unterstützung. Eine Person zu sein, der sie sich anvertrauen können, die nur ihr Bestes im Sinn hat, die ihnen genau dann aufmerksam zuhört, wenn sie es am meisten brauchen. Einer zu sein, der sie aufbaut, wenn sie an ihrem Schwachpunkt angelangt sind, und derjenige, der so unglaublich stolz auf sie ist, wenn sie persönliche Meilensteine erreichen.

Zusammen mit eurer Hilfe und Unterstützung können wir in dieser Organisation sicherstellen, dass diese jungen Kambodschaner so lange unterstützt werden, wie es nötig ist. Gemeinsam können wir sie auf dem Weg zu einem unabhängigen und selbstständigen Erwachsenenleben begleiten, sodass sie nicht nur sich selbst, sondern eines Tages auch ihre eigenen Familien, komplett selbst versorgen können.

Es liegt noch ein langer Weg vor uns, und dieser Weg mag nicht immer ein einfacher sein. Aber genau wie unsere Familien am Ende des Tages immer ein Sicherheitsnetz für uns sein werden, wird Thomlang – Cambodian Youth Support genau das für diese jungen Erwachsenen sein.